Trainerwechsel und Wiedergeburt in Bern
Die Kommandoenthebung war, ist und bleibt die populärste Krisen-Therapie. Kaum irgendwo ist ihre Wirkung so heilsam wie im Eishockey. Kein anderer Trainer im Teamsport hat einen vergleichbaren Einfluss. Er kann laufend die Zusammensetzung der Linien ändern und während des Spiels seine Männer jederzeit anschreien, anschweigen oder antreiben.
Ein Kommandant mit Herz und Kalkül zugleich. Deshalb wird er auch als Bandengeneral bezeichnet. Ob chaotisch, klassisch oder logisch: Seine Absetzung zeigt Wirkung. Im Herbst 2025 eine spektakuläre: Ambri und Servette haben nach einem Trainerwechsel zweimal hintereinander gewonnen, während sich der SCB unter Heinz Ehlers aus der taktischen Zwangsjacke befreit und in drei Partien bereits für mehr Spektakel gesorgt hat als zuvor seit Saisonbeginn unter Jussi Tapola.
In Bern wirkt die Mechanik vertraut. Ein klassischer Trainerwechsel als Befreiungsschlag. Die Spieler hatten sich still gegen Jussi Tapola aufgelehnt. Gegen die eiserne Disziplin, gegen die autoritären Machtspielchen, gegen das emotionslose Schablonenhockey, das in einem 0:4 in Ajoie kumulierte. Es war nicht erforderlich, gegen den Trainer zu spielen. Es reicht, sich nicht mehr für den Trainer zu engagieren. Die Entlassung des Finnen war also unausweichlich.
Unter seinem Nachfolger Heinz Ehlers wird Eishockey in Bern endlich, endlich, endlich wieder gespielt und nicht nur gearbeitet und taktisch berechnet. Ehlers sagt zwar bescheiden, seine Handschrift sei noch nicht zu erkennen. Doch selten war ein Wandel nach einem Trainerwechsel klarer sichtbar: Die Berner spielen unter dem Dänen schneller, direkter, mit der Mischung aus Wucht und Leichtigkeit, die Fans wie Spieler wieder freier atmen lässt.
Sie lösen nun die Angriffe schnell aus, ihr Spiel wird dadurch dynamischer, direkter, emotionaler und spektakulärer. Allein in der Partie am Samstag gegen Zug (3:0) gab es mehr Spektakelszenen als in den neun letzten Spielen unter Tapola.
Was gegen ein Operetten-Team aus Belfast in der Champions League (7:0) und Zug (3:0) funktionierte, reichte auch bereits, um Davos bei einer knappen Niederlage (1:2) bis in die letzten Sekunden maximal zu fordern.
Der Tabellenführer zelebriert sein dynamisches Tempohockey halt bereits im dritten Jahr unter Josh Holden. Der SCB erst im dritten Spiel unter Ehlers und steht am Anfang seiner Wiedergeburt. Das machte in diesem intensiven Spiel die Differenz.
Die Bedenken, Heinz Ehlers werde Beton mischen, sind bereits zerstreut. Den Ruf, ein Defensiv-Trainer zu sein, hat er sich eingehandelt, weil er mit seinen bisherigen Teams in der höchsten Liga (SCL Tigers, Biel und Lausanne nach dem Aufstieg) gar keine andere Möglichkeit hatte.
In der zweithöchsten Spielklasse hatte er hingegen bei Spitzenteams (Biel, Langenthal, Visp) mit dynamischem Offensiv-Hockey Erfolg. Und nun hat er in Bern eine Mannschaft, die zwar im Umbruch steht und ihre Ausländerpositionen nicht durchgehend gut besetzt hat. Aber bei weitem nach wie vor mit genug Substanz zu einer gut strukturierten offensiven Spielweise. Es ist so, als sei der SCB – wie die ins Schloss verbannte Prinzessin im Märchen «Dornröschen» – endlich wachgeküsst worden.
Bern tanzt, Genf zieht nüchtern Bilanz: Der Wechsel war logisch. Sportdirektor Marc Gautschi hat den Trainer für nächste Saison (den schwedischen Nationalcoach Sam Hallam) bereits verpflichtet. Bis dahin sollte Yorick Treille überbrücken, vom Assistenten zum Chef befördert. Doch nach zwei Demütigungen (0:11 in Lausanne, 0:8 in Biel) blieb nur der Schlussstrich. Nun hat der bisherige Assistent Ville Peltonen das Kommando und die zwei ersten Partien gewonnen. Nach dem 4:1 in Zug folgte die Revanche gegen Lausanne (5:3).
Aufbruch in Bern, Logik in Genf – und Drama in Ambri. Anders als in Bern gab es in der Leventina keine Notwendigkeit eines Kommandowechsels. Trainer Luca Cereda und Sportchef Paolo Duca – bei den Spielern wohlgelitten und respektiert – sind nach einer von watson aufgedeckten Intrige ihres Präsidenten Filippo Lombardi zurückgetreten. Er hatte hinter ihrem Rücken heimlich mit Christian Dubé verhandelt. Die Ratlosigkeit ist seither so gross, dass mit dem Segen der Liga ein vorerst bis heute Montag gültiges Kommunikationsverbot («Silenzio Stampa») erlassen worden ist.
Vielleicht steht gar der «Grand Slam der Rücktritte» (also vier Rücktritte) bevor: Geschäftsführer Andreas Fischer soll in Lombardis Intrige verstrickt gewesen sein und seinen Präsidenten zum Geheimtreffen mit Christian Dubé in Zürich begleitet haben. Womöglich mit dem Ziel, den Sportchef beerben zu können. Nun könnte ihn genau das den Job kosten. Der Präsident, der Geschäftsführer, der Sportchef und der Trainer weg – das wäre wahrlich ein «Grand Slam». Und nur in Ambri denkbar.
Es ist noch nicht einmal klar, wer denn eigentlich in Ambri der neue Cheftrainer ist. Die bisherigen Assistenten Eric Landry und René Matte führen interimistisch. Doch keiner mag der Chef des anderen sein. Weil das Reglement einen Verantwortlichen verlangt, trägt Matte den Titel. Juristisch, nicht aus Überzeugung. Unter dieser kollektiven Führung hat Ambri nun gegen Ajoie (3:2) und in Zürich (2:1) gewonnen.
Dass Trainerwechsel wirken, ist längst mehr als Aberglaube und sogar wissenschaftlich bestätigt. In der Studie «The Effect of Mid-Season Coach Turnover on Team Performance: The Case of the National Hockey League 1989-2003» wurde herausgefunden, dass der Punkteschnitt («available points») von 0,35 vor dem Trainer-Wechsel auf rund 0,45 danach stieg. Auch in der folgenden Saison gab es noch eine Verbesserung auf etwa 0,51 Punkte. Und das in der NHL, wo die Bandengeneräle noch weit mehr Autorität und Mittel haben, um ihren Spielern Beine zu machen.